Das Platzen von Süßkirschen wurde viele Jahre lang als Folge eines Anstiegs des Zelldrucks (Turgor) durch Wasseraufnahme über die Oberfläche angenommen. Diese Theorie wurde allerdings vor einigen Jahren widerlegt und auf der Basis neuester Ergebnisse das sog. Reißverschlussmodell (engl. zipper model) entwickelt.
Die Ursache des Platzens ist eine lokale Wasseraufnahme, die eine ganze Reihe an Prozessen auslöst.
Mikrorisse in der Kutikula entstehen in Folge des Stopps der weiteren Synthese von kutikulärem Material (hauptsächlich Kutin und Wachse) am Ende der Phase II der Entwicklung (während der Umfärbung der Kirsche).
Dies führt während des starken Fruchtwachstums in Phase III zu einer starken Dehnung der Fruchthaut, während der es zur Bildung von Mikrorissen kommt. Wasseraufnahme durch Mikrorisse in der Kutikula führt zum Platzen von Zellen im Parenchym (Fruchtfleisch), da diese ein stärker negativeres Wasserpotential als die Zellen in der Fruchthaut sind und zusätzlich auch mechanisch instabiler sind. Durch das Platzen dieser Zellen werden Osmolyte (hauptsächlich Zucker) und Äpfelsäure freigesetzt.
Benachbarte Zellen plasmolysieren durch die hohe Menge an freigesetzten Osmolyten, sodass die Zellwände dieser Zellen anfangen zu quellen. Zusätzlich führt Äpfelsäure zur Schwächung der Zellwände angrenzender Zellen. Sowohl durch das Quellen als auch durch die Äpfelsäure werden die Zellwände stark geschwächt.
Bei einer weiterem Wasseraufnahme setzt sich dieser Prozess fort und der Anteil an geplatzten Teilen nimmt immer weiter zu. Als Konsequenz davon, kann die Fruchthaut die hohe Spannung nicht mehr aufrechterhalten, da das unterstützende, unterliegende Gewebe nicht mehr intakt ist und die Fruchthaut reißt auf, indem sich Zellen voneinander separieren. Es entsteht ein kleiner Riss, der sich bei weiterer Wasseraufnahme verlängert, wie eine Laufmasche oder ein Reißverschluss, der aufgezogen wird.
Literatur
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